Politischer Samisdat in der DDR
Was ist Samisdat?
Samsidat, aus dem Russischen für „Selbstverlag“, bezeichnete in der UdSSR und den anderen Ostblockstaaten die Druckerzeugnisse, die außerhalb der staatlichen Zensur verfasst, gedruckt und verbreitet wurden. Die meist illegal produzierten Publikationen waren Ausdruck von Widerstand und Meinungsvielfalt in einem System, das Meinungsfreiheit und eine freie Presse nicht zuließ.
Auch in der DDR war der der politische Samisdat ein zentrales Medium der Opposition. In den meist periodisch erschienenen Zeitungen und Zeitschriften fanden die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, alternative Meinungen, Gedanken und auch Forderungen zu verfassen, zu verbreiten und zu lesen. Themen, die in der staatlich kontrollierten Presse kaum vorkamen, wie Umweltschutz, alternative Lebensentwürfe oder auch der Umgang mit Rechtsextremismus und Gastarbeitenden in der DDR, wurden verhandelt. Der politische Samisdat gilt daher als wichtige Quelle politischer und gesellschaftlicher Kritik am SED-Regime.
Diese oppositionellen Texte wurden während der gesamten DDR-Zeit verfasst, verbreiteten sich aber vor allem ab der zweiten Hälfte der 1980er Jahre. Häufig entstanden sie im kirchlichen Umfeld, das einen gewissen Schutz vor staatlicher Kontrolle bot, da kircheninterne Dokumente mit dem Vermerk „nur für den innerkirchlichen Gebrauch“ nicht der Zensur vorgelegt werden mussten. In den späten 1980er Jahren entstanden aber auch vermehrt freie Samisdat-Zeitschriften wie etwa die „Umweltblätter“. Als meist staatlich geduldetes, aber unabhängiges Medium war der politische Samisdat ein wichtiges Sprachrohr und Vernetzungsinstrument der DDR-Opposition und stellt damit eine bedeutende Quelle für deren Erforschung dar.
Digitalisierung des politischen Samisdats der DDR
Bereits Anfang der 2000er Jahre wurde durch die Förderung der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Stiftung Sächsische Gedenkstätten am damaligen MitteleuropaZentrum der Technischen Universität Dresden (heute: Zentrum Mittleres und Östliches Europa) ein Projekt zur Digitalisierung der periodisch erscheinenden Samisdat-Zeitschriften und damit zu ihrer breiten öffentlichen Zugänglichkeit realisiert. Zur Sicherung der Ergebnisse erfolgte nun mit erneuter Unterstützung der Stiftung Aufarbeitung die Übernahme des Datenbestandes in das von der Sächsischen Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden betriebene Portal sachsen.digital. Alle Digitalisate und deren Volltexte können unter folgendem Link recherchiert werden:
https://sachsen.digital/sammlungen/politischer-samisdat-der-ddr
Die im Rahmen des ersten Digitalisierungsprojektes zum Samisdat der DDR erstellte Website enthielt zahlreiche weiterführende Informationen zu den Samisdat-Zeitschriften. Sie thematisierte deren inhaltliche Vielfalt, den Druck- und Verbreitungsprozess, ihre Rolle im Medien- und Rechtssystem der DDR sowie eine umfangreiche Literaturliste. In Kürze wird die archivierte Website über den sächsischen Dokumentenserver Qucosa zugänglich sein. Bis dahin ist sie temporär unter folgendem Link abrufbar:
Ausgewählte Literatur
- Bakuła, Bogusław: Eine parallele Welt. Beiträge zur unabhängigen Kultur in Polen 1976-1989. Aus dem Polnischen von Wieńczysław Niemirowski, Bielefeld 2018
- Bandel, Jan-Frederik/Gilbert, Annette/Prill, Tania (Hg.): Unter dem Radar. Underground- und Selbstpublikationen 1965-1975, Leipzig 2017
- Böthig, Peter/Michael, Klaus (Hg.): MachtSpiele. Literatur und Staatssicherheit im Fokus Prenzlauer Berg, Leipzig 1993
- Buchholz, Matthias u.a. (Hg.): Samisdat in Mitteleuropa. Prozeß - Archiv - Erinnerung, Dresden 2007
- Eichwede, Wolfgang (Hg.): Samizdat. Alternative Kultur in Zentral- und Osteuropa. Die 60er bis 80er Jahre, Bremen 2000
- Feindt, Gregor: Auf der Suche nach politischer Gemeinschaft. Oppositionelles Denken zur Nation im ostmitteleuropäischen Samizdat 1976–1992, Berlin/Boston 2015
- Glanc, Tomáš: Autoren im Ausnahmezustand. Die tschechische und russische Parallelkultur, Berlin/Münster 2017
- Glanc, Tomáš (Hg.): Samizdat Past & Present, Praha 2018
- Kind-Kovács, Friederike/Labov, Jessie (Hg.): Samizdat, Tamizdat, and Beyond. Transnational Media during and after Socialism, New York/Oxford 2013
- Kowalczuk, Ilko-Sascha (Hg.): Freiheit und Öffentlichkeit. Politischer Samisdat in der DDR 1985-1989. Eine Dokumentation, Berlin 2002
- Machovec, Martin: Writing Underground. Reflections on Samizdat Literature in Totalitarian Czechoslovakia, Praha 2019
- Richter, Ludwig/Olschowsky, Heinrich (Hg.): Im Dissens zur Macht. Samizdat und Exilliteratur der Länder Ostmittel- und Südosteuropas, Berlin 1995
- Wciślik, Piotr: Dissident Legacies of Samizdat Social Media Activism. Unlicensed Print Culture in Poland 1976-1990, London 2021
Autor: Julius Titz (SLUB/TU Dresden)
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